Radiohead mischen die britische Szene auf
Aus Promotion-Gründen räkeln sich mir gegenüber Bassist Colin Greenwood und Drummer Phil Selway. Tage wie diese, mit bis zu 20 Interviews, schlauchen. "Wir machen das nur, weil wir so die öffentliche Beachtung kriegen, die wir brauchen. Sonst würde unsere Plattenfirma wohl kaum nur ein Pfund rausrücken", erklärt Colin. "Aber wir haben noch nie etwas von diesem Medienhype gehalten."
Wen wundert's! RADIOHEAD haben sich noch nie gerne am Spiel mit den Medien beteiligt, sie wählten den steinigeren Weg. Unzählige Konzerte in Gegenden, "wo die Hälfte der Bevölkerung aus Schafen bestand", und äußerst geringes Interesse der englischen Musikpresse charakterisieren ihre Anfangszeit.
"Eine schwierige Beziehung zur englischen Musikpresse haben wir noch heute", meint Colin grinsend. "Sie haben einfach Probleme, zu verstehen, was wir machen. Glücklicherweise ändert sich das gerade, sie beginnen, die Musik so zu schätzen, wie sie ist."
Nach einem Song wie "Creep" gibt es wohl auch keine andere Möglichkeit. Dieser Aufbau, der krachende Gitarrenübergang vor dem Refrain und dieser Schmerz unerwiderter Lust in den Lyrics haben das Herz einer ganzen Generation berührt. Während Sänger Thom E. Yorke das C-Wort nicht mehr hören kann, will Phil die Bedeutung des "Meilensteins", der in fünfzehn Ländern in die Charts kam, nicht schmälern: "Creep hat uns die Tür zum Musikgeschäft geöffnet, viele hätten von RADIOHEAD sonst wohl nichts gehört!" Als ihr "bestes" Lied sieht er "Creep" aber nicht: "Es ist der beste Song dieser Art in unserem Repertoire, aber wir haben ein sehr breites Repertoire ..."
Wie breit, zeigt "The Bends". "Auf jeden Fall ist es ein ruhigeres Album, sehr emotionelle, doch recht langsame Musik, die ans Herz geht", glaubt Colin. "Insgesamt ist es fließender als 'Pablo Honey', denn die Songs haben eine sehr homogene Energie und Stimmung. Es ist unser Soundtrack für 1995." Obwohl es wieder "straighter" Indie-Rock ist, hört sich das Ganze mehr nach Seattle als nach dem verschlafenen Oxford an. "Wir stehen nicht mehr unter dem Druck, irgendetwas Spektakuläres zu machen oder mit jedem kleinen Laut Aufmerksamkeit zu erregen. Inzwischen sehen wir den Effekt des ganzen Liedes als das Wichtigste an!" erklärt Phil.
Zwei Jahre sind seit dem Erstling vergangen, der in den USA und England mittlerweile Goldstatus erreicht hat. Auch in anderen Ländern lassen sich die Verkaufszahlen sehen. Abgesehen von den USA, wo sie als "britische Indiekönige" gefeiert wurden wie lange keine englische Band mehr, haben sie auch in Ländern wie Mexiko, Israel, Thailand und Hongkong gespielt. "Es war schon 'a kind of weird', was mit uns nach 'Creep' passiert ist. Alle waren irgendwie verrückt, es war wie ein Riesenschock", erinnert sich Colin.
Verkraftet haben RADIOHEAD den Trubel aber gut. Im Gegenteil: Man spürt, daß sie die zahlreichen Konzerte genutzt haben, um als Band noch enger zusammenzurücken. In die öffentliche Schlammschlacht der englischen Alternativ-Gitarren-Bands stürzen sie sich aber immer noch nicht. "Wir denken lieber etwas anders und werden nicht in jeder zweiten Kolumne des NME zitiert", betont Colin, der keine Angst hat, daß sich nun andere Bands über sie hermachen: "Uns würden diese Bands nie erwähnen, denn wir sind einfach nicht Teil dieser englischen Popszene."
Zum Schluß läßt Colin einen Warnschuß an alle, die erwägen könnten, "The Bends" die Luft rauszulassen, los: "Wir sind ruhige Leute, aber wenn uns etwas stört, dann werden wir richtig böse. Das ist wie mit unserer Musik. Eigentlich ist sie solide, doch wenn sie laut wird, dann richtig; besonders einfach!"